Draußen scheint die Sonne, wie jeden Tag eigentlich. Ich bin gerade auf dem Weg zur U-Bahn und genieße die frische Luft, denn gerade für einen stubenhockenden Service Provider ist die immer wieder aufs neue etwas ganz besonderes. Endlich an der Haltestelle "Türlenstraße / Bürgerhospital" angekommen, warte ich auf die nächste Bahn, mich mal wieder selbst-verfluchend, weil ich zu doof war die alte Linie 15 am Pragfriedhof zu bekommen - "Schon wieder das Drecksteil nur von hinten gesehen" sage ich innerlich zu mir, während ich die Treppe runterstolpere und zum Geländer eile, auf dem ich immer bis zum Eintreffen der Bahn sitze.
Die nächste U-Bahn kommt recht fix - kein Wunder bei 4 Linien, die alle im 10-Minuten-Takt fahren. Ich steige ein und fahre die eine Station bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof. "Moment, Hauptbahnhof!" ereilt mich ein Geistesblitz und während der Fahrt beginne ich mit dem Nachdenken...
"Brauchst Du noch eine Zeitung? Oder vielleicht zwei?"
"Hast Du Lust mit wirklich netten jungen Damen über Dein Leben zu reden?"
"Nicht wirklich!" sage ich zu mir, denn es ist doch immer wieder das selbe... Unzufrieden stammel ich "die wollen doch sowieso nur mein Konsumverhalten analysieren" und schiebe mir dabei die Stöpsel meiner Kopfhörer ins Ohr - die werde ich gleich gut gebrauchen können.
Als die U-Bahn den Hauptbahnhof erreicht, schalte ich noch schnell meinen MP3-OggVorbis-Player ein und schiebe den Lautstärkeregeler möglichst hoch und bereite mich darauf vor möglichst freundlich zu lächeln.
Ich laufe den Bahnsteig entlang, Richtung Treppe - bloß schnell raus hier! Doch da sind sie schon, sie warten nur auf mich, haben es auf mich abgesehen. Ich setze also mein Lächeln auf, stelle Augenkontakt her und sage nett "Nein, danke! Heute lieber nicht...". Oben an der Treppe dann schon wieder "Darf ich ihnen eine Welt Himmel kompakt anbieten?". Ich verneine freundlich und verweise auf die Kollegin unten an der Treppe. Ich halte ausschau - das können doch noch nicht alle gewesen sein. Doch bevor ich den nächsten Leseprobenverteiler ausmachen kann, schallt es schon von der Seite: "Hätten Sie kurz 5 Minuten für ein paar Fragen?"
Kann ich die Musik nicht noch ein wenig lauter stellen? Aber ignorieren wäre gemein - sind ja auch nur Menschen wie ich... Drum sage ich kurz, dass ich es eilig habe und verabschiede mich. Eilig habe ich es weiß Gott nicht, nur keine Lust - aber das ist auch kein Wunder, wenn es dort jeden Tag so aussieht.
Dann endlich erspähe ich den nächsten Menschen mit Zeitungen im Arm und nicht viel weiter steht auch schon die nächste junge Dame mit einem Notizblock in der Hand, wartend. Echte Sadisten würden jetzt einen direkten Kurs auf ihn einschlagen. Ich hingegen ziehe es vor, es wie die letzten Tage zu machen: Große Bögen laufen und wenn das nichts mehr hilft, einfach ein Handy-Telefonat vortäuschen oder wirklich irgendwo anrufen...
100 Meter hinter dem Bahnhof ist der Spuck dann endlich vorbei. Ich suche mir eine der 10.000 BW-Bank-Filialen aus - von denen gibt es aber echt unglaublich viele - wo ich heute willkürlich Geld abheben werde und setze meinen Weg fort. Mit Karte zahlen macht schon lange keinen Spass mehr, lieber anonym Bargeld streuen.
Das einzige was mir jetzt noch passieren kann sind Streiks von ver.di - z.B. bei H&N<<1 - oder ein paar Demos von Hartz IV-Gegnern. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn sowas macht ja wenigstens Spass.